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Geständnis einer introvertierten Mutter: „Mein Kind ist mir oft zu viel“

Introvertierte Mutter: Mein Kind ist mir oft zu viel
Introvertierte Mutter: Mein Kind ist mir oft zu viel Credit: Getty Images

Ich bin ein introvertierter Mensch. Ich fühle mich unter fremden Menschen unwohl, in großen Gruppen ziehe ich mich lieber zurück und ab und zu brauche ich eine Pause – von allem. Auch von meinem Kind. Warum ich deshalb keine schlechte Mutter bin und warum Introvertiertheit ein Thema ist, über das gerade wir Mamas offen sprechen sollten.

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Gestern Abend brauchte ich eine Pause – von meinem Sohn.

Nach einem sehr stressigen Arbeitstag, an dem gefühlt jeder etwas von mir wollte und ein Meeting das nächste jagte, spurtete ich schnell zur Tagesmutter, um meinen 20 Monate alten Sohn abzuholen. Danach ging es direkt auf den Spielplatz. Die Sonne schien und es war voll. Überall tobende Kinder. Es war laut und hektisch, wie es an einem schönen Tag auf dem Spielplatz eben so ist.

Ich versuchte die Geräusche und die Menschen auszublenden, nicht mehr an die Arbeit zu denken und mich voll auf meinen Sohn zu konzentrieren – und darauf, den perfekten Sandkuchen zu backen. Beides gelang mir nicht und ich bekam zum wiederholten Male an diesem Tag ein schlechtes Gewissen.

Ein Blick auf die Uhr, dann raus aus dem Sand, rein in den Kinderwagen und noch schnell einkaufen. Ich hatte am Tag zuvor etwas Wichtiges fürs Abendessen vergessen. Der Supermarkt war noch voller als der Spielplatz, überall gestresste Feierabend-Menschen und ein Kind, das sich nicht entscheiden konnte, ob es mehr müde oder mehr hungrig ist.

Also so schnell wie möglich zurück nach Hause. Einkäufe und quengeligen Sohn in den fünften Stock tragen. Dann Abendessen kochen, Kind mit einem Snack nach dem anderen versorgen und parallel mit Spielzeugautos bespaßen.

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Zwischendurch kam mir immer wieder die Präsentation in den Sinn, die ich am Morgen nicht geschafft hatte, fertig zu machen. Dabei pingte mein Handy mit nett gemeinten Fragen der Verwandtschaft, wer sich denn nun was zu Weihnachten wünsche und was es dann zu Essen geben solle. Die Zeit würde schließlich langsam knapp. Ich kochte im Autopilot weiter. Wie entspannt das gemeinsame Abendessen war, könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen.

Und dann kam er, der Punkt, an dem ich nicht mehr konnte. An dem mich jedes kleinste Detail, jedes Geräusch, jede Frage, war sie auch noch so nett gemeint, innerlich explodieren ließ. Ich musste raus aus der Situation. Ich musste den Pause-Knopf drücken.

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Manchmal muss ich allein sein

Ich bin ein introvertierter Mensch und manchmal brauche ich einen Moment für mich. Ohne, dass jemand etwas von mir will. Ohne Hektik und Lautstärke. Ein Moment Stille in einem dunklen Zimmer. Schon als Kind hatte ich dieses Bedürfnis nach Einsamkeit. Danach, die Stopp-Taste zu drücken. Danach, mein Gedankenkarussell zur Ruhe kommen zu lassen. Jetzt als Mama habe ich das umso mehr.

Noch vor wenigen Monaten hätte ich in einem solchen Moment geweint. Geplagt vor schlechtem Gewissen und der Gewissheit, eine schlechte Mutter zu sein.

Denn welche, gute Mutter, braucht schon Abstand von ihrem Kind? Welche gute Mutter zieht sich zurück, weil sie den Familienalltag und stundenlanges Spielen in manchen Momenten schlichtweg nicht mehr erträgt? Welche gute Mutter stellt sich selbst über ihr Kind?

Ich tue es. Ich tue es immer wieder und ich tue es ganz aktiv. Und ich habe dabei kein schlechtes Gewissen mehr. An diesen Punkt zu kommen, hat gedauert, doch mittlerweile weiß ich: Ich tue das, weil ich introvertiert und eine gute Mutter bin.

Und ich brauche diese Pausen, damit ich eine gute Mutter bleibe. Damit ich meinem Kind beibringen kann: Du bist toll, so wie du bist. Deine Bedürfnisse sind richtig und wichtig. Und es ist okay, wenn dir mal alles zu viel wird. Mir wird auch manchmal alles zu viel. Es ist in Ordnung.

Würde ich mir diese Pausen nicht gönnen, würde ich meinem Sohn gegenüber wahrscheinlich ungerecht werden. Ich würde ihm, vielleicht auch unterbewusst, zu verstehen geben, dass er mir zu viel ist. Dass er der Grund für meine schlechte Laune oder meine Zurückgezogenheit ist. Und das ist das Letzte, was ich möchte.

Erklär es deinem Kind, es wird es verstehen

Wenn ich die Stopp-Taste drücken muss, dann erkläre ich das meinem Sohn. Ich sage: „Schatz, Mama braucht jetzt eine kurze Pause. Das hat nichts mit dir zu tun, sondern nur mit mir. Ich komme gleich wieder und dann spielen wir weiter.“ Und dann gehe ich kurz in ein anderes Zimmer, schließe die Tür, mache das Licht aus und atme ein paar mal ruhig ein und aus.

Ich habe das Glück, dass mein Sohn einen wundervollen, liebenden Vater hat, der Verständnis für meine Introvertiertheit und mein Bedürfnis nach Ruhe hat. Der mir den Rücken stärkt und mich mich sein lässt. Auch als Mama.

Introvertierte Mütter: Manchmal muss ich alleine sein
Frau liegt in dunklem Zimmer Credit: Getty Images

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Du musst es nicht alleine schaffen

Wenn du dein Kind alleine großziehst, dann hast du den Luxus eine Pause zu machen vielleicht nicht. Doch du brauchst diese Pausen, selbst dann, wenn du nicht introvertiert bist. Diesen Moment der Ruhe, der nur dir gehört. Du brauchst ihn, damit du du bleibst. Damit du die beste Mutter für dein Kind sein kannst. Eine authentische, ehrliche Mutter, die ihrem Kind zeigt, dass die eigenen Bedürfnisse wichtig sind.

Such dir Unterstützung, wenn es irgendwie möglich ist. Egal ob Verwandtschaft, Freunde oder Babysitter, such dir jemanden, der dir mit dem Kind bzw. den Kindern hilft. Du musst nicht alles alleine schaffen und du bist eine gute Mutter, wenn du an dich selbst denkst.

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Warum Mutterliebe auch Selbstliebe bedeutet

Wir müssen anfangen, das Tabu zu brechen und darüber zu reden, dass es oft hart ist, eine Mama oder natürlich auch ein Papa zu sein. Dass das neue Leben stressig und fordernd ist. Dass nur wenig Zeit und oft keine Zeit bleibt für sich selbst. Dass es Tage gibt, an denen man nicht mehr kann und manchmal auch Momente, in denen man nicht mehr will. Gerade, wenn man introvertiert ist.

Und das alles ist vollkommen okay und hat nichts mit fehlender Dankbarkeit zu tun oder gar damit, dass man sein Kind nicht genug liebt.

Denn nichts davon, kein negatives Gefühl, das wir empfinden, kein schlechtes Gewissen, das uns gemacht wird, kein Problem, das der Familienalltag bereithält, schmälert die Liebe, die wir unseren Kindern gegenüber empfinden. Diese Liebe ist so stark, so unerschütterlich, dass nichts an ihr rüttelt.

Die Liebe zu uns selbst aber, die steht bei vielen von uns auf wackeligen Beinen. An dieser Liebe müssen wir aktiv arbeiten, wir müssen ihr Gehör verschaffen und sie pflegen. Und sei es nur mit einer kurzen Pause, die ganz allein uns gehört. Denn Mutterliebe und Selbstliebe können, nein, sie müssen sogar Hand in Hand gehen.