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Getrennte Wohnungen: Macht ‚Living apart together‘ Paare glücklicher?

Paar steht auf einer grünen Wiese
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Getrennte Wohnungen: Macht "Living apart together" Paare wirklich glücklicher?

LAT - living apart together. Das bedeutet: getrennte Wohnungen, obwohl man zusammen ist. Was steckt genau dahinter und kann die Beziehung mit zwei Wohnungen womöglich sogar besser funktionieren?

Living apart together, kurz LAT bedeutet: Getrennt wohnen, obwohl man fest zusammen ist. Kann das die Lösung für Beziehungen sein, um die Liebe langfristig am Leben zu halten? Was sind die Vorteile und was die Nachteile für Paare?

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Generationen vor uns haben es getan. Sie haben sich gefunden, geheiratet, Kinder bekommen und sich ein trautes Heim geschaffen. Heute sind wir freier in der Wahl unserer Lebens- und Beziehungsformen. Und das ist großartig. Dennoch müssen sich neue Formen des Zusammenlebens immer viel hinterfragen lassen.

Ich lebe beispielsweise mit meinem Partner nicht zusammen, sondern in getrennten Wohnungen. ‚Living apart together‘, kurz ‚LAT‘, heißt diese Alternative zum gemeinsamen Zuhause, wenn man es mit einem neudeutschen Etikett versehen möchte.

Oder wie Jens B. Asendorpf es in seiner wissenschaftlichen Publikation schreibt: „Living apart together (LAT) bezeichnet eine Form der Partnerschaft, bei der die beiden Partner in getrennten Haushalten wohnen, aber fest zusammenleben.“

Mit diesem Modell fahren wir sehr gut – aber erzählt man es anderen, stößt man oft auf Unverständnis. Ist man feige, wenn man nicht in einem Haushalt zusammenlebt? Oder hat diese Art von Beziehung vielleicht einige Vorteile – nicht für jeden, aber eben für uns?

15 Prozent leben getrennt – Tendenz steigend

Gemeinsames Leben ja, aber kein Alltag und keine Diskussionen über Spülberge und Wäschetrockner. Besonders in Großstädten ist diese Form der Partnerschaft weit verbreitet.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist der Anteil der LAT-Paare innerhalb von 14 Jahren um 15 Prozent gestiegen, bei Männern über 38 Jahre sogar um 70 Prozent.

Diese hohe Zahl an Paaren, die im Alltag getrennt leben, hat, so der Paartherapeut Eric Hegmann, allerdings nicht nur freiwillige Gründe. Oftmals leben Paare beruflich getrennt und führen eine Fernbeziehung. Dennoch gehe die Tendenz dahin, dass sich immer mehr Paare bewusst dazu entscheiden an einem Ort in zwei Wohnungen zu leben. Was sind die Gründe?

Dennoch, so der Experte, ist es den „romantisierenden Medien“ geschuldet, dass wir glauben, Liebe muss immer mit der absoluten Nähe und Verschmelzung einhergehen. Und deshalb, so Hegmann, trauen sich viele Paare nicht, ehrlich zu sein und getrennte Wohnungen zu beziehen, obwohl es ihren Wünschen in der Beziehung entsprechen würde.

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Beziehungskiller Alltag?

Was ersparen sich LAT-Paare durch ihr räumliches Getrenntsein – und was verpassen sie? LAT wirkt mitunter wie der Kompromiss zwischen Single-Leben und Partnerschaft. Vor- oder Nachteil für Dauer und Intensität der Liebe?

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Natürlich gibt es Vorteile: Wer getrennt lebt, hat keinen gemeinsamen Alltag. Trifft man den Partner, verabredet man sich bewusst, umgeht das Alltägliche. Die Beziehung hat dadurch eine Art Dating-Charakter.

Das heißt: Man bleibt auch mal alleine, wenn man sich unpässlich fühlt. Ungeschminkt – also im Sinne von körperlich und geistig – bekommt einen der Partner oder die Partnerin nicht zu Gesicht.

Das sagen Experten und Studien

Auch Studienergebnisse zeigen, dass vor allem Frauen höhere Zufriedenheitswerte in ihrer Beziehung aufweisen, wenn sie getrennt von ihrem Partner oder ihrer Partnerin leben, im Vergleich zu den in ‚klassischen‘ Beziehungen lebenden Frauen.

Der Psychologe Wolfgang Krüger sieht in LAT aber nicht nur Vorteile für die Beziehung. „Wenn man nicht zusammenwohnt, sind die Treffen immer in einer gewissen Weise inszeniert, man trifft sich, um etwas zu unternehmen.

Das kann spannend sein und schön, aber es fehlt die mittlere Vertrautheit, die dann einsetzt, wenn sie die Steuererklärung schreibt und er sich in der Küche um das Essen kümmert.“

Dann hört man sich, begegnet sich kurz, berührt sich, jeder macht immer wieder sein eigenes Programm, und doch ist man innerlich getragen von der Anwesenheit des anderen.

Es ist ungemein beruhigend zu spüren, dass der Partner bzw. die Partnerin da ist – bereits dies führt zu dem Wohlbehagen, dem Aufgehobensein, das man kaum kennt, wenn man nicht zusammenwohnt.“

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Grund für getrennte Wohnungen: Angst vor zu viel Nähe?

LAT-Beziehungen sind oft unverbindlicher und instabiler als die von Paaren, die gemeinsam wohnen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergab, dass sich diese Paare häufiger trennen als gemeinsam lebende Paare. 50 Prozent zerbrechen innerhalb von sechs Jahren.

Das liegt weniger daran, dass die Partner in diesen Beziehungen weniger zufrieden sind, sondern daran, dass es leichter fällt sich bei Konflikten zu trennen, wenn man bereits getrennt wohnt.

Wer allein wohnt, hat oft ein großes soziales Umfeld und ist es gewohnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Wer mit seinem Partner hingegen zusammenwohnt, teilt im Alltag Aufgaben und Sorgen – und das verbindet.

Das bestätigt auch Wolfgang Krüger: „Es schweißt zusammen, wenn man jeden Tag zusammen frühstückt, sich dann gemeinsam um den Garten kümmert, den Einkauf bewältigt. Und die Fenster streicht.“

Gemeinsame Wohnung = größeres Streitpotential?

Doch eine gemeinsame Wohnung birgt auch mehr Streitpotential als die eigenen vier Wände. Wäsche waschen, Bad putzen – plötzlich muss man sich mit dem Liebsten über dreckige Wäsche unterhalten und nicht selten erkennen beide hier, dass sich ihr Gegenüber bislang perfekter präsentiert hat, als es wirklich ist. Jetzt, da man zusammen wohnt, fällt der eine oder andere Schleier und Putzallergien und andere Marotten treten ungeschönt zutage.

Das sorgt nicht selten für Konflikte. Wolfgang Krüger erläutert: „Und plötzlich wird die Frage des Rauchens oder der Ordnung zum Generalthema in der Beziehung. Der eine versucht den anderen zu ändern, er wehrt sich dagegen und die Nähe schmilzt zunehmend dahin.“

Aufeinander Rücksicht nehmen, Kompromisse machen – der Psychologe sieht hierin eine wichtige Aufgabe für jedes Paar, an der es wachsen kann: „Das Zusammenleben ist letztlich eine Kooperationsaufgabe. Man muss beispielsweise die Hausarbeit aufteilen.“

Mehr Streitthemen, wenig Rückzugsmöglichkeiten – Probleme, die LAT-Paare nicht haben. Kommt es bei ihnen zu Streit, können sie sich in verschiedene Wohnungen zurückziehen.

„Dies kann entspannend für beide Beteiligten sein, da man erst dann wieder auf den anderen zugeht, wenn sich der Konflikt etwas beruhigt hat“, sagt Wolfgang Krüger. Doch das Ausweichen birgt natürlich auch eine Gefahr. „Lebt man in einer Wohnung zusammen, muss man irgendwann miteinander reden.“ Deshalb sind solche Paare oft konfliktfähiger.

Getrennte Wohnungen schaffen Freiraun

Die Zeit, die getrennt lebende Partner*innen für sich haben, ist ungleich größer als bei zusammenlebenden Paaren. Krüger: „Wenn man nicht zusammen wohnt, gibt es automatisch Zeiten der Distanz.

Man sieht sich üblicherweise nur am Wochenende und vielleicht noch am Mittwoch. Dann telefoniert man vielleicht jeden Abend für eine halbe Stunde, aber ansonsten macht jeder etwas für sich. Mehr als die Hälfte der freien Zeit hat jeder zur eigenen Verfügung, das Bedürfnis nach Freiheit ist dadurch erfüllt.“

Zieht man zusammen, ist das ein enormer Einschnitt. Plötzlich sieht man sich am Wochenende von morgens bis abends. Wolfgang Krüger sagt: „Jeder muss nun die Eigenarten des anderen respektieren, ohne die eigenen Bedürfnisse aufzugeben. Beide müssen einen Weg finden, aufeinander zuzugehen, und dies ist nur möglich, wenn man Kompromisse macht.

Man braucht viel Humor, um sich nicht ständig über den anderen zu ärgern.“ Letztlich ist es also eine Frage, was man will: Legt man Wert auf Zusammenhalt und Nähe oder sind Eigenständigkeit und Autonomie wichtiger.

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Nähe mit Rückzugsraum

Bei aller Nähe in einer gemeinsamen Wohnung sollte man auch offen über die Möglichkeit des Alleinseins reden. „Das ist eine ganz zentrale Frage“, bestätigt Wolfgang Krüger. „Jeder sollte einen eigenen Rückzugsraum haben.“ Ein geteiltes Schlafzimmer, ein Bett, ein Schreibtisch und ein Kleiderschrank – das ist eher was für Fortgeschrittene ‚Zusammenwohner‘.

Lieber mit zwei Schlafzimmern starten und später die Raumordnung zugunsten eines gemeinsamen Schlafzimmers ändern, als umgekehrt. Das nachträgliche ‚Auseinanderrücken‘ wäre jedenfalls ein ziemlicher Knacks für das partnerschaftliche Glück in den eigenen vier Wänden.

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Getrennte Wohnungen für mehr Leidenschaft

Kuschelstunden auf dem Sofa und jede Nacht neben einander schlafen – viele Singles glauben, dass man mehr Sex hat, wenn man zusammenwohnt. Die Realität sieht jedoch anders aus. „Jedenfalls ergab eine Umfrage am Londoner University College, dass die Frauen dann weniger Lust auf Sex haben, während sie bei den Männern zunimmt“, sagt Wolfgang Krüger.

„Vor allem stört Frauen, dass Männer oft dazu neigen, nach dem Zusammenziehen mit dem Werben aufzuhören.“ Irgendwann redet man womöglich nur noch darüber, wer einkaufen geht und wer den Müll runter bringt, anstatt sich mal wieder etwas Nettes zu sagen.

So klappt es mit dem Zusammenleben

Dennoch ist das gemeinsame Wohnen nicht zum Scheitern verurteilt. Ganz im Gegenteil. Eine positive Bilanz zieht auch der Sozialprofessor Laszlo A. Vaskovics. Er beobachtete sechs Jahre lang 900 deutsche Paare, die zusammen wohnten. Wolfgang Krüger erklärt: „Nur ein Drittel der Paare trennte sich am Ende des Versuchszeitraums.

Doch fast zwei Drittel waren schließlich verheiratet oder wollten heiraten. Die typische Entwicklung des Zusammenlebens ist also nicht, dass zu viel Abstand entsteht, sondern dass man schließlich heiratet. Offenbar werden Beziehungen stabiler, wenn man zusammenwohnt.“

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Männer haben mehr Probleme als Frauen

Und eine weitere interessante Beobachtung machte der Experte, die nicht wenige überraschen dürfte: „Schwierig scheint das Getrenntleben vor allem für Männer zu sein, die heutzutage viel schneller zusammenziehen möchten als Frauen. Nach einer Umfrage von ElitePartner möchte jeder zweite Mann schon nach wenigen Monaten mit der Partnerin zusammenleben, während die Frauen eher zögern.“

Überstürzt sollte niemand mit seinem Koffer vor der Haustür des Liebsten stehen. Denn Regel Nummer eins beim Zusammenziehen lautet: Nicht zu ihm oder ihr ziehen, sondern gemeinsam etwas Neues starten.

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Und wenn es doch die Wohnung eines Partners sein muss, dann sollte diese zumindest neu gestaltet werden, damit sich der neue Bewohner nicht wie ein Besuch fühlt, der geduldet wird. „Wenn man sich eine neue Wohnung sucht, hat das den Vorteil, dass man auch symbolisch einen Neuanfang macht“, sagt Wolfgang Krüger.

Das wäre ein idealer Start mit gleichen Bedingungen und Mitgestaltungsmöglichkeiten für beide Partner*innen. Zumal die gemeinsame Planung und Wohnungssuche sowohl anstrengend als auch verbindend sein kann. „Lassen Sie sich für die Planung Zeit“, rät Wolfgang Krüger, „denn Zusammenziehen ist einer der ersten größeren Kooperationstests für ein Paar.“

Und so mag das Modell EAT nicht für alle Paare gleichermaßen gut passen, aber für viele ist es sicherlich eine interessante Alternative zum klassischen Zusammenwohnen. Und all denen sei Living apart together wärmstens ans Herz gelegt.