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Erschreckend: Jede 2. Frau erlebt Gewalt unter der Geburt

Gewalt unter der Geburt: Das sind die Ergebnisse unserer Umfrage
Gewalt unter der Geburt: Das sind die Ergebnisse unserer Umfrage Credit: Getty Images

Während der Geburt angeschrien, festgeschnallt oder ungefragt behandelt zu werden, klingt nach längst vergangenen Zeiten. Doch auch 2021 erfahren Frauen Gewalt unter der Geburt, wie die erschreckenden Ergebnisse unserer Umfrage zeigen.

Inhaltsverzeichnis

Gewalt unter der Geburt: Das sind die Ergebnisse unserer Umfrage

Gewalt unter der Geburt: Das sind die erschreckenden Ergebnisse unserer Umfrage

Der 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Eine besondere Aktion an diesem Tag: der Roses Revolution Day. Eine Initiative, die sich speziell gegen Gewalt unter der Geburt einsetzt. Denn auch da erfahren Frauen Gewalt. Sie werden während der Geburt festgehalten oder gar festgeschnallt, sie werden angeschrien, unter Druck gesetzt und diskriminiert, oder sie verbringen unfreiwillig viele Stunden allein und verängstigt im Kreißsaal.

Dabei wissen viele Betroffene nicht einmal, dass ihnen Unrecht und Gewalt während der Geburt angetan wurde. Denn schon die gruseligen und zum Teil erschreckenden Geburts-Erlebnisse von Freund*innen, Bekannten und Verwandten trüben bei vielen die Sicht auf eine Geburt. Man könnte glauben, dass Gewalterfahrungen „normal“ seien und es so etwas wie eine „schöne Geburt“ gar nicht gäbe.

Unfreundliche, aggressive oder schlicht überforderte Hebammen gehören oft genauso zu diesen Erzählungen wie mies gelaunte und grobe Ärzt*innen oder schlicht überlastete Kliniken. Doch normal sind solche Vorfälle nicht. Jede Frau hat das Recht auf eine selbstbestimmte und gewaltfreie Geburt. Leider sieht die Realität oft anders aus.

Das zeigen auch die Ergebnisse unserer Umfrage zum Thema Geburt. Teilgenommen haben Anfang November 671 gofeminin.de User*innen, von denen 98 Prozent ihr*e Kind*er in einem Krankenhaus zur Welt gebracht haben. Und das sind ihre Erlebnisse:

Ihre Wünsche wurden nicht respektiert

Dass eine Geburt kein Spaziergang ist, sondern Frauen und ihren Körpern viel abverlangt, liegt in der Natur der Sache. So empfanden auch gute 50 % unserer Teilnehmer*innen die Geburt ihrer Kinder als anstrengend bis sehr anstrengend. Aber nur weil etwas anstrengend ist, muss es keine schlechte Erfahrung sein. Dabei kommt es nicht nur auf einen selbst, die eigenen Vorstellungen und Wünsche an, sondern auch auf die Gegebenheiten und Umstände.

Wir wollten von unseren Teilnehmer*innen deshalb wissen, ob sie genaue Vorstellungen oder konkrete Wünsche wie einen Geburtsplan hatten. Und knapp 38 % bejahten das. Doch in mehr als 72 % der Geburten wurde sich nicht oder nicht in allen Punkten an diese Wünsche gehalten. Dabei hatten knapp 45 % der Teilnehmer*innen nicht das Gefühl, dass diese Abweichungen notwendig gewesen wären.

Allein, fremdbestimmt und nicht ernst genommen

Zudem beklagt knapp ein Drittel der Teilnehmer*innen (rund 30 %) der Umfrage, dass sie oft allein gelassen wurden während der Geburt, obwohl sie es nicht wollten.

Ich wurde allein gelassen und habe mich sehr schutzlos, machtlos und einsam gefühlt.

Nur rund 35 % der Teilnehmer*innen hatte die freie Wahl bei der Geburtsposition. Bei gut 27 % der Teilnehmer*innen verlangte das Klinikpersonal die Geburt des Kindes in Rückenlage, bei weiteren 22 % wurde die Geburtsposition anderweitig vorgegeben.

Medizinischen Entscheidungen, so das Gefühl von knapp 32 % der Frauen, wurden über ihre Köpfe hinweg getroffen, ohne dass sie das Gefühl hatten, ausreichend darüber aufgeklärt worden zu sein oder ein Mitspracherecht zu haben.

Viele Teilnehmer*innen beklagen, dass sie sich nicht ernst genommen fühlten von Hebammen und Ärzt*innen. So wurden Schmerzen kleingeredet, Wünsche missachtet und es herrschte oft ein rauer Ton im Kreißsaal.

Mir wurde während der Wehen gesagt, im Kreißsaal wird bei ihnen nicht geschrien.

Psychische Gewalt unter der Geburt

36 % der Umfrageteilnehmer*innen gaben an, während der Geburt ihres Kindes psychische Gewalt erfahren zu haben. Sie wurden angeschrien (≈5 %), unter Druck gesetzt (≈15 %), mit Kommentaren herabgewürdigt (≈12 %) und aufgrund ihres Alters, ihrer Herkunft oder ihres Gewichts diskriminiert (≈4 %)

Physische Gewalt unter der Geburt

Auch die körperliche Unversehrtheit, auf die jeder Mensch laut Artikel 2 des Grundgesetzes ein Anrecht hat, wurde nach Aussagen unserer Umfrageteilnehmer*innen in knapp 60 % der Geburten missachtet.

Es wurde eine Untersuchung während einer Wehe durchgeführt, dies war sehr schmerzhaft. Ich wollte, dass der Arzt aufhört. Ich habe geschrien, doch er hörte nicht auf.

So berichten Frauen, dass sie während der Geburt festgehalten bzw. festgeschnallt wurden (4 %), sie während der Wehen stillliegen mussten (5 %), medizinische Eingriffe (wie Kaiserschnitt, wehenfördernde Mittel) ohne ihr Einverständnis durchgeführt wurden (10 %), ihnen ungefragt der Muttermund abgetastet wurde (10 %), ein ungewollter Dammschnitt erfolgt ist (12 %) oder auch, dass sich ein Arzt*in oder eine Hebamme ruckartig zur Unterstützung der Presswehen quer über den Oberbauch gelegt hat (Kristellern, rund 19 %).

Folgen von Gewalt unter der Geburt

Noch heute, so stimmten rund 20 % unserer Umfrageteilnehmer*innen ab, leiden sie unter den Folgen von Gewalt unter der Geburt.

Noch wochenlang nach der Geburt erschien mir das Ereignis wie ein Horrorzustand. Erst lange danach und in Relation zu anderen (schlimmeren) Geburtsberichten kann ich jetzt darüber reden.

Helfen kann Betroffenen, über das Erlebte zu sprechen, sich mit anderen darüber auszutauschen, um so verarbeiten zu können, was sie erlebt haben.

Hilfsangebote für Betroffene von Gewalt unter der Geburt gibt es hier:
Verein Traum(a)Geburt e.V.
Initiative für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland
Schatten und Licht e.V.

Gerne darfst du unseren Artikel teilen und so dazu beitragen, dass über das Thema Gewalt unter der Geburt gesprochen wird. Damit Betroffene erkennen, dass das, was ihnen widerfahren ist, kein Einzelfall ist. So hilfst du uns und anderen, Gewalt unter der Geburt zu bekämpfen. Denn wenn wir darüber sprechen und uns Gehör verschaffen, können wir etwas bewegen und ändern.

Auch der Roses Revolution Day am 25. November hat das Ziel, Frauen, die eine gewaltvolle Geburt erlebt haben, zu helfen. Das Ablegen einer rosafarbenen Rose vor dem Kreißsaal, in denen sie diese Erfahrungen machen mussten, macht ihr Trauma deutlich und verleiht ihnen eine Stimme. Zudem kann die Rose ein Zeichen und eine Chance für das Klinikpersonal sein, die eigenen Handlungen kritisch zu hinterfragen und es besser zu machen.