Inhaltsverzeichnis
- Was genau ist Revenge bedtime procrastination?
- Anzeichen für (revenge) bedtime procrastination
- Warum schieben wir unseren Schlaf auf?
- Wie lässt sich (revenge) bedtime procrastination vermeiden?
Wer früh aufsteht, sollte auch nicht zu spät ins Bett gehen. Schließlich schläft ein erwachsener Mensch idealerweise acht Stunden pro Nacht, mindestens aber sechs. Leider kommt mir da meine mangelnde Selbstkontrolle in die Quere. Das heißt, obwohl ich weiß, dass der Wecker am nächsten Morgen um 6 Uhr klingelt, mache ich mir um 23 Uhr noch eine Serie an oder surfe am Handy durchs Netz. Das habe ich mir nach einem anstrengenden Tag mit Job und Familie schließlich verdient. Am Ende komme ich wieder nicht vor 0.30 Uhr zur Ruhe und wache am nächsten Morgen wie gerädert auf.
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Dass ich viel zu wenig schlafe, sagt mir nicht nur die Wissenschaft, sondern vor allem mein Körper. Ich bin müde, reizbar und unausgeglichen. Von der mangelnden Konzentration am Tag mal ganz abgesehen. So wie mir geht es auch vielen anderen Menschen, wie die Wissenschaft herausgefunden hat, vorzugsweise Frauen und Studierenden. Einen Namen hat das Phänomen auch: bedtime procastination (zu Deutsch: Schlaf-Aufschub), in seiner besonderen Ausprägung als revenge bedtime procastionation (sinnhaft ins Deutsche zu übersetzen als, „aus Rache spät ins Bett gehen“) bezeichnet.
Warum ich und so viele andere Menschen das allabendlich machen, an wem man sich mit der aufgeschobenen Schlafenszeit überhaupt rächt und mit welchen Methoden man den Kreislauf durchbrechen kann, wollen wir erklären.
Was genau ist Revenge bedtime procrastination?
Das Phänomen und die Begrifflichkeit der ‚bedtime procrastination‘ ist noch recht jung und wurde 2014 von der niederländischen Sozial- und Verhaltensforscherin Floor M. Kroese geprägt. Bedtime procrastination bezeichnet die Entscheidung, den Schlaf aufzuschieben, obwohl es dafür keinen Grund gibt. Und obwohl man sich über die Konsequenzen bewusst ist.
Die revenge bedtime procrastination ist dabei noch spezieller. Die Bezeichnung stammt ursprünglich aus dem Chinesischen und kann frei übersetzt werden mit, „aus Rache spät ins Bett gehen“. Rache bezieht sich hierbei auf die Lebensumstände. Wer den ganzen Tag keine Zeit für sich findet, durch Arbeit, Projekte oder die Familie im Dauereinsatz ist, hat nur die wenigen Abendstunden ganz für sich. Um diese auszukosten, bleibt man ganz bewusst länger wach. Obwohl man weiß, dass man am nächsten Tag unausgeschlafen früh aufstehen muss. Man opfert seine Schlafenszeit bewusst der Zeit für sich.
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Während die bedtime procrastination also mehr oder weniger unbewusst praktiziert wird – man bleibt länger auf, weil man noch eine Folge der Lieblingsserie bingt oder Insta-Storys schaut – ist die revenge bedtime procrastination eine ganz bewusste Entscheidung. Man nimmt sich Zeit für sich und opfert bewusst Schlaf.
Anzeichen für (revenge) bedtime procrastination
Ab und zu mal zu spät ins Bett gehen ist noch keine (revenge) bedtime procrastination. Wer aber regelmäßig mehr oder weniger bewusst auf Schlaf verzichtet, nur um am Abend vor einem Bildschirm zu sitzen oder zu liegen, dem kann man Schlafaufschieberei nachsagen.
Im International Journal of Environmental Research and Public Health werden drei Faktoren definiert, an denen man die Schlafprokrastination aus- bzw. festmachen kann:
- Das Schlafengehen wird verzögert und die Gesamtschlafenszeit verringert sich
- Betroffene Personen haben keinen triftigen Grund, später ins Bett zu gehen (wie ein Ereignis oder eine Krankheit)
- Betroffene nehmen die negativen Folgen des wenigen Schlafs bewusst in Kauf, um sich, im Falle der revenge bedtime procrastination, bisher verpasste Zeit für sich ‚wiederzuholen‚.
Warum schieben wir unseren Schlaf auf?
Warum manche Menschen anfälliger für Schlafprokrastination sind, lässt sich nicht eindeutig sagen. Es gibt noch keine große wissenschaftliche Datenlage. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Menschen, die allgemein zu ‚Aufschieberitis‘ neigen, auch zu Schlaf Prokrastination neigen. Menschen also, die sich mit Belastungssituationen schwertun, die angesichts eines immensen Arbeitspensums in eine Art Lethargie verfallen und dann gar nichts tun. Wem das im Alltag häufiger passiert, der schiebt auch den Schlaf am Abend gerne viel zu weit nach hinten.
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Zudem konnten Studien zeigen, dass weder Bildungsniveau noch Wohnort oder das Zusammenleben mit Partner*in oder Kindern einen Einfluss darauf haben, ob jemand den Schlaf aufschiebt oder nicht. Allerdings seien Menschen häufiger davon betroffen, die viel beruflichen Handlungsfreiraum hätten. So seien es Manager oder Journalisten, die sich ihre Arbeit selbst einteilen, die häufiger davon betroffen sind. Eine polnische Studie von 2019 zeigte zudem, dass häufiger jüngere Menschen und Frauen darunter litten.
Aber auch für Eltern wird die revenge bedtime procrastination keine Unbekannte sein. Denn wenn irgendwann Ruhe im Kinderzimmer ist und man endlich Zeit nur für sich findet, ist man sehr oft viel zu erschöpft, um etwas ‚Sinnvolles‘ oder erholsames im Sinne der Gesundheit zu tun. Gerne schmeißt man sich einfach aufs Sofa und lässt sich von einem Bildschirm berieseln, anstatt sich entspannt ins Bett zu legen, früh schlafen zu gehen und am nächsten Morgen erholt aufzustehen. Schlaf scheint für Betroffene wie mich nicht genug ‚Belohnung‘ für die Mühen des Tages.
Wie lässt sich (revenge) bedtime procrastination vermeiden?
Wer, wie ich, dazu neigt, die Abendstunden als einzige Zeit für sich selbst zu betrachten und diese bis spät in die Nacht auszukosten, der muss umdenken. Oder anders: Ich muss mir bewusst machen, dass ich mir mit dem viel zu langen Wachbleiben nicht etwa etwas Gutes tue, sondern eigentlich das genaue Gegenteil bewirke. Was kann und sollte ich am Abend also anders machen?
Die wichtigste Regel ist wohl, dass man mit seiner Abendroutine bricht. Was in der Theorie einfach klingt, bedarf eines großen Maßes an Selbstkontrolle. Denn oft sind wir so eingefahren in unseren Routinen, dass es sehr schwerfällt, diese aufzubrechen und neue zu erarbeiten. Studien zeigen, dass der Mensch zwischen 21 und 66 Tagen benötigt, um eine neue Routine zu entwickeln.
Was können Schlafaufschieber wie ich also besser machen? Wer sich allabendlich mit einem Serienmarathon, Social Media Feeds oder Handyspielen vor dem Schlafengehen drückt, kann im ersten Schritt versuchen, die Bildschirme 30 Minuten vor dem Zubettgehen wegzulassen. Am einfachsten ist das wohl, wenn man sich eine feste Schlafenszeit setzt. Ein Wecker kann helfen, einen daran zu erinnern, alles auszumachen. Zudem sollten Handy und Fernseher im Schlafzimmer tabu sein.
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Es kann außerdem helfen, wenn man sich nicht erst kurz vor dem Zubettgehen fertig macht, sondern unmittelbar nach getaner Arbeit, sei es der Job oder nachdem die Kinder im Bett verschwunden sind. Denn auch die Pflegeroutine, selbst wenn es nur um die Gesichtsreinigung und das Zähneputzen geht, können einen davon abhalten, ins Bett zu gehen. Schlichtweg, weil man keine Lust darauf hat.
Am besten verzichtet man als Schlafaufschieber auf Alkohol und Nikotin am Abend und auf den Kaffee am späten Nachmittag. Diese Dinge können einen auch künstlich wachhalten.
Zum Teil schwer umzusetzen, aber für Menschen, die aus ‚Rache‘ länger wach bleiben, unbedingt einen (oder zwei oder drei) Versuch(e) wert: mehr kleine Momente im Alltag schaffen, in denen man Zeit für sich findet. Bei einem Spaziergang durch den Wald (mit dem Familienhund), bei einer mini Yoga-Einheit oder auch einem Bad am Abend lässt es sich durchatmen und auf sich besinnen. Und auch die halbe Stunde Candy Crush oder TikTok zwischendurch- oder sogar am Abend ist okay zum Runterkommen, solange man diese Art der Pause bewusst einlegt und sie nicht gesamten Abend ausfüllt.
Und dann heißt es, durchhalten und nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Artikels dient lediglich der Information und ersetzt keine Diagnose beim Arzt. Treten Unsicherheiten, dringende Fragen oder Beschwerden auf, solltet ihr euren Arzt kontaktieren. Die Prokrastinationsambulanz, eine Spezialambulanz der Psychotherapie-Ambulanz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, bietet zum Beispiel Diagnostik, Beratung und Therapie bei Prokrastination an. Ein anonymer Selbsttest auf der Seite der Ambulanz kann dabei helfen, das eigene Aufschiebeverhalten zu analysieren und Rückmeldung dazu zu erhalten.